Verrenberg Historisch

Die Verrenberger Dorfordnung vom 01.10.1593




Die Verrenberg Dorfordnung galt als verschollen, ...

Nur durch Zufall wurde die Verrenberg Dorfordnung bei Researchern im Ortsarchiv im Beilagenband zum Gemeindegüterbuch Band I (B 55) Ende 2020 gefunden.
Der Bearbeiter des Güterbuches hatte sie hinter einem Vorblatt "Kirchliches / Politisches / Geschichtliches" eingebunden und damit vermutlich vor dem gleichen Schicksal bewahrt, das dem älteren Archivgut wiederfahren war.

Dorfordnungen regeln vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert das Zusammenleben der Gemeindemitglieder in einem Dorf.
Ursprünglich lebte man in Hohenlohe nach mündlich überlieferten Geboten, die erst im ausgehenden Mittelalter, entsprechend der zunehmenden Schriftlichkeit, aufgezeichnet wurden. Die durch Zusammenwirken von Gemeinde und Herrschaft entstandenen hohenlohischen Dorfordnungen waren bis zur Mediatisierung 1806 gültiges Recht, nach dem im Dorfgericht geurteilt wurde.
Sie wurden von der Gemeinde aufgestellt und von der Herrschaft nur bestätigt oder von der Herrschaft formuliert, fast immer im Einvernehmen mit der Gemeinde; es gibt keinen Hinweis darauf, dass eine Dorfordnung von der Obrigkeit zwangsweise oktroyiert wurde.
Die Gemeinde konnte im Dorfbereich unter der Kontrolle des von der Herrschaft eingesetzten Schultheißen ihre Angelegenheiten weitgehend selbst gestalten. Sie besaß das Recht, in der Gemeindeversammlung für alle Einwohner verbindliche Satzungen aufzustellen und deren Einhaltung durch festgelegte Bußgelder zu erzwingen.

Über die Entstehung der Verrenberg Dorfordnung ist nichts überliefert, so dass wir an dieser Stelle etwas spekulieren müssen.
Vermutlich wurden hier altes, gelebtes Recht zu Papier gebracht. Es wäre zwar denkbar, dass es schon zuvor eine schriftliche Form gab, aber dann hätte man sich eventuell darauf bezogen.
Dass man die Menschen zum treuen Besuch der Gottesdienste ermahnt, kennt man aus den meisten anderen Hohenlohischen Dorfordnungen, aber die ausdrückliche Ermahnung bis zum Schluss im Gottesdienst zu bleiben, scheint schon spezifisch für Verrenberg zu sein.

Dass 1616, 23 Jahre nach Erstellung der Dorfordnung, die erste Erweiterung mit den Klauseln zum Weinverkauf erfolgte, zeigt dass die Artikel aus konkreten Bedürfnissen heraus entstanden.
Bei der Urfassung von 1593 ging es darum, dass bei Ausbruch eines Feuers die Bewohner zur Brandstelle eilen, um zu helfen. Im Nachtrag von 1723 ging es dagegen darum präventiv zu handeln, Feuereimer in allen Haushalten und die Löschmittel in gutem Zustand. Vermutlich gab es auch hier konkrete Vorfälle im Ort, die es notwendig machten, diesen Zusatz aufzunehmen. So dürfte die Dorfordnung auch schon vor 1593 (in mündlicher Fassung?) Schritt um Schritt gewachsen sein.

Beteiligte Personen, soweit sie bekannt sind:
Schultheiß: Jacob Knorr
Pfedelbacher Vogt: Johann von Olnhausen


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Verrenberg kurz vor 1600 ...

Der Ort dürfte ca. 400 Einwohner in ca. 64 Häusern gehabt haben. Seit der Hauptlandesteilung 1553-55 gehörte Verrenberg zu Hohenlohe-Waldenburg und wurde vom Amt Pfedelbach aus verwaltet.
Kirchlich dagegen gehörte der Ort zum württembergischen Bitzfeld. Dieses Spannungsfeld Württemberg - Hohenlohe sorge immer wieder für Zwischenfälle.
In Bitzfeld war der Magister Gallus Mann Pfarrer. Der Gottesdienst wurde in der gotischen Kirche in Bitzfeld gehalten, die um 1500 von der Äbtissin von Lichtenstern erbaut worden war. Sie war sehr baufällig und viel zu klein für die wachsende Einwohnerzahl.
Ab 1586 hatte in der Gegend die Pest gewütet. Um die Bevölkerung und die Quelle zur Hauptwasserversorgung zu schützen, wurde 1590 der Friedhof, der sich typisch für die damalige Zeit an der Kirche befand, an die ‚Landesgrenze‘ zu Hohenlohe verlegt.



Gottesdienst



Zu Beginn wurden die Verrenberger angehalten jeden Gottesdienst mit Kindern und Gesinde zu besuchen. Auch soll man die Kirche nicht verlassen, bevor der Pfarrer den Segen gesprochen hat. Schultheiß und Bürgermeister wurden angehalten Übertretungen an das Amt in Pfedelbach zu melden, damit


"Ordnung der gemeind zu Verrenberg wie sie sich und ein jeder Insonderheit Biß auff der Herrschaft Hochherrschaftl. Gnädigste Weittere Veränderung oder mehrung Verhalten sollen, und erstlichen:"
"An heiligen Sontagen, Feyertagen, auch in der Wochen, wann mann Gottes Wortt Prediget, dardurch dann neben inren rührigen Anmuthigen gebeth zu Gott dem allmächtigen, wir all unsere wohlfahrt Zeitliches und Ewiges erlangen können, ein jeder mit seinem gesind und Kinder emsig und fleisig in die Kirchen gehen, Gottes Wortt anhören, das sellige mit gantzem Hertzem annehmen. So solle auch keiner so baldt man anfängt die Psalmen zu Singen unter der Linden, oder for der Kirchen stehen bleiben, deßgleichen solle ein jeder in der Kirch bleiben, biß der Prediger den Seegen gottes ertheilt hatt, und da eine oder mehr waß jetzt hirvon geschrieben ist übertreten wird, solle Schultheiß oder Bürgrmeister jeder Zeit solches dem Amt Pfedelbach anbringen, da mit gebührende straf mit solchen Gottloßen Leuthen vorgenommen werden könne"

 

Die Zwölfer



Es sollen zwölf geeignete Personen aus der Gemeinde gewählt werden, die da, wo in der Gemeindeversammlung keine Einigkeit erziehlt werden kann die Sache behandeln und entscheiden. Dies ist dann bindend. Quasi ein Vorläufer des späteren Gemeinderat.
Wenn durch blasen des Horns den Gemeindeglieder geboten wird, dass sie auf dem vereinarten Platz sich versammeln sollen, haben sie dazu eine Stunde Zeit. Die Strafe wurde auf ein "Ort" (1) festgesetzt. Das galt, egal ob man im Haus oder auf dem Feld war.

"Zum andern sollen jeder Zeit zwölf Personen Auß einer gemeind erwehlt werden die vernünftig und verständig, folglich auch einer gemeindt weiße mit nutzen und Wohlfarth vorzustehen, und darin gemeind versamlet, und ein jeder gemeiner gemeinßman seine Stim, der solchen halben darumb so versamlet worden gegeben haben, und doch einer oder der andere einer andern Meynung, also daß oft eine gemeindt unverrichter Sach mit schelten und uneinigkeit von einander gegangen, und also die Zeit vergeblich hingebracht derhalben wo sich ein gemeindt es sey in ein oder andern gemeind Sachen nicht Vergleichen und übereinstimmen können, solle es den Zwölfern heimgestellt und übergeben werden, die sollen also nach ihrem besten Verstand einen Bescheidt geben, und solle allso dabey verbleiben jedoch da sich einer oder mehr ihren Bescheidt zu Beschwehren der solle sich mit wahrheit zu dem Amt Pfedelbach verfügen die Sache gründlich anzaigen, und um den austrag und erörterung bitten."

"Zum dritten. Wann man der gemeind bitet, das Horn bläst, solle sich ein Jeder uff den verordneten Platz, da ein gemeindt Pflegt sich zu versamllen, verfügen sich nichts verhindern laßen, es seye im Hauß oder auff dem Feldt, es sey dann daß er mit Leibes Schwachheit von dem Lieben Gott angegriffen daß er nicht erscheinen könne, und welcher nicht innerhalb einer stund zum längsten sich einstellet, der solle der gemeind ein ortt straff verfallen seyn, und sollen solches die Bürger Meister künftig verrechnen.".

(1) Ort ist eine alte Bezeichnung für "Viertel", im Münzwesen das Viertel einer Münzeinheit, z.B. der Ortsgulden, Ortstaler, Örtli oder Örtgen. Der Reichsort (1/4 Reichstaler) war ein Sechsgroschenstück, das auch als Sechsling bezeichnet wurde. Das Dreigroschenstück wurde dementsprechend als halber Reichsort bezeichnet.
Mehr zu den Zwölfern in Verrenberg gibt es hier.

Es wird durch die Wortwahl "blasen des Horns" deutlich, dass der Ort 1593 noch keine Glocke hatte.

 

Feuer (sbrunst)



"Zum Vierten da sich eine Brunst inn der Nachbarschaft, da der Liebe Gott uns alle gnädiglich wolle darfür behüten, erheben sollte, soll sich ein jeder bey seinem Quartier Meister finden laßen, und sobald mann in erfahrung bringt wo die Brunst ist, sollen sie dem Quartier Meister, an dem es seyn wird nachfolgen, biß an daß Ort da man der Brunst errettung bedarft, doch solle nach dem Schall des Horns ein jeder vorhero sich auff dem gemeinen Platz finden laßen, und welche Schultheiß und BürgerMeister zu Hütter deß Orths bestellet, die sollen dem selbigen sambt und sonders getreulichen nakommen, bey straff eines Orts, so Bürgermeister verrechnen sollen "

Auch hier droht eine Strafe von einem "Ort", für den Vollzug der Strafe ist der Bürgermeister zuständig.



Interessant:
Im Text von 1593 steht noch "Schall des Horns".
Dies wurde später durch gestrichen und am linken Rand ersetzt durch: "Glocken Schlag".
Am Ende des Dokuments, auf Seite 20, finden sich noch die Jahreszahlen 1616 und 1723.
Vermutlich gab es in diesen Jahren Änderungen und/oder Ergänzungen.
Wenn man nun die Schrift vergleicht, kann vermutet werden, dass der Nachtrag
"Glocken Schlag" im Jahr 1723 erfolgte. Was kann man daraus ableiten?
Könnte es sein, dass die erste Verrenberger Glocke zwischen 1616 und 1723 angeschafft wurde?



Abweiden



Das abweiden von fremden Flächen wurde mit der Strafe eines halben "Ort" belegt.
Ebenso wurde es untersagt, von den Bäumen, die der Gemeinde gehören, Holz zu nehmen

"Item es soll keiner den andern seine Weyden abweiden bey Straff einer halben Orts.
Item es solle keiner ... von dem gemeinen Bäumen so uff der gemein stehen von Holtz oder Wurtzel davon abhauen bey straff zwanzig Kreuzer.
"

 

Holz, Obst, Bürgerrecht



Es ist verboten Obst zu pflücken bzw. gefallenes Obst aufzulesen, es sei denn, man hat sich das Recht dazu erworben.
Weiter darf niemand ohne Erlaubnis Erde auf Weegen abladen oder wegnehmen. Strafe 10 Keutzer.
Während der Erntezeit darf man auf den (abgeernteten) Äckern keine Ähren auflesen, bis dass die Garben von den Äckern weg sind. Es dürften gerade Arme gewesen sein, die hier versuchten was essbares zu finden. Demnach wurde ihnen das zum späteren Zeitpunkt nicht verwehrt. Später wurden dann noch Tiere auf diesen Felden geweidet.
Wenn ein Auswärtiger in den Ort einheiraten möchte, und im Ort eine Behausung erwirbt, dann soll er 6 Gulden für die Bürgeraufnahme zahlen. Zudem muss jeder "Außländischer" (d.h. der nicht das Verrenberger Bürgerrecht hat), der sich in Verrenberg häuslich niederlassen will, mindestens 80 Gulden Besitz nachweisen und 6 Gulden zur Bürgeraufnahme bezahlen. Damit wollte man verhindern, sich jemanden in die Gemeinde zu holen, der später als "Sozialfall" der Gemeinde zur Last fällt.

"Item es solle keiner kein Obst von den gemein Bäumen abnehmen oder aufleßen es seydenn daß er es von einer gemeind bestanden oder erkauft, bey eines Ort straf.
Item es soll keiner Erden in denen gemein Weegen aufschlagen oder hinweg nehmen ohne Erlaubniß des Schultheißen bey verlust zehn Creuzer
"
"Item in der Erndt Zeiten, soll keiner auff den äkern ehren auflößen, biß die garben hinweg kommen, bey straf 1 Gulden.
Item da ein Fremder sich im fleckhen Verrenberg Verheurath, und eine Wittfrau oder ein Kindt daselbst nimdt aus solchem Orth wohnen würde, und einen Häußlichen Nider sitz bekauft der solle sechs Gulden gemeindt recht geben. Neben deme soll kein Außländischer im Fleke Verrenberg Häußlich eingenommen werden. Er bringe dann so viel als Achzig Gulden und solle derselbige 6.fl. gemeind recht erlegen.
"


 


Bürgerrecht, Frohn und Dienst, Gemeindehirt,



" Item welcher ein ledig Tochter oder Wittbe außerhalb heurathet die soll ehe sie in fleecken eingelaßen wird 50fl. ein bringen V……her und dazu vier Gulden Bürger Recht uff legen, Ingleichen soll ein jeder fremde Mann oder Weibs Persohn seinen ehrlichen Geburtsbrief ufflegen und da ein Wittiber oder Wittib sich im Vleckhen verheuratete und Kinder auß voriger Ehe erziehlt und hinein zupringen Begehret, solle vor jedes Kinde zuerhaltung diese Bürgerrechts zwey Gulden vor allen dingen auff geleget werden.
Item welcher seinen Verheurathen Sohn oder Tochtermann, bey ihme zu Hauß läst, der soll seine Frohn und Dienst wie andere verrichten
Zum fünften solle der gemein Hirth nach Bartholomey wann daß Heu und Omath von der Wießen kombt macht haben hinein zu fahren und soll keiner mit seinem Viehe allein oder besonder uff die Wießen oder samt Weeg zu schaden fahren, soll bey straff 10. Creutzer der Gemeind, von jedem Stück
Zum sechsten solle man kein Gänß uff die Wießen treyben, bey Straff von einer gannß einen Creutzer.
Im gleichen sollen die gänße Hürtten uff keine Stupfel Acker treyben der Gemeind hirth seye dann zu vor darauff geweßen bey Straf Zwelf Creutzer
"
Jeder Verrenberger, der eine Braut von außerhalb mitbrachte, musste nachweisen, dass diese Braut ein Mindestvermögen von 50 Gulden in die Ehe einbringt. Für ihre Aufnahme in das Bürgerrecht waren dann 4 Gulden fällig. Für jedes Kind weitere 2 Gulden.
In einem Nachtrag links wurde hinzugefügt: nebst einem Gulden für die Glocke. Siehe unten.
Söhne und Schwiegersöhne sollen ganauso wie der Hausherr Frohn und Dienst verrichten.
Grundsätzlich muss jeder, der in den Ort einheiraten möchte, einen Geburtsbrief vorlegen - man wollte wissen, mit wem man es zu tun hat.

Der Gemeindehirte soll nach Bartholomey [24.August], wenn Heu und Ohmath eingefahren sind, das alleinige Recht haben, auf den Feldern die Schafe weiden zu lassen. Wenn er dabei Schaden anrichtet, kann er mit 10 Kreutzern gestraft werden.
In einem Nachtrag von vermutlich 1723 wird das insoweit eingeschränkt, als dass schon von alters her bestimmte Wiesen ausgenommen waren.
Auch war es verboten, Gänse auf Wiesen zu treiben. Als Strafe waren ein Kreuzer pro Gans vorgesehen. Auch dürfen die Gänse erst nach dem Gemeindehirten (Schafe) auf die abgeernteten Äcker (Stupfeläcker).



Interessant:
Der Nachtrag links "nebst einem Gulden zu erhaltung der glocken" stammt vermutlich aus dem Jahr 1723.
Dieser Betrag von 1 Gulden für die Verrenberger Glocke findet sich später bei Bürgeraufnahmen in den Gemeinderatsprotokollen ab 1831 nicht. Es dürfte sich also um eine Abgabe gehandelt haben, die für einen bestimmten Zweck (Glocke) zeitlich befristet erhoben wurde.
Ob es nun darum ging, für eine anzuschaffende Glocke Geld zu beschaffen, oder ob die Glocke bereits gekauft war ist unklar.

 


Weinberge, grasen, übernachten Fremder



"Item es solle keiner er sey wer er wolle in den Weinbergen stupfeln (1) biß zur vollendung der gantze Herbst vollendet bey Zehn Creutzer straff der gemeind.
Zum Siebenden welcher auff den andern graastet und seinem Nachbar Schaden thut, der soll wann er betretten wird fünf zehn Creutzer straf geben, wann aber einer den andern am heiligen Sonntag mit grasen schaden zufügt, der solle dreyßig Creutzer zur strafe stehn, davon den halb theil dem der schaden zugefüget wurde, und der andre halbe theil der gemeind gehörig seyn solle. Die 20 d sollen Bürg Meister allein gebührliche Rechnung thun
Ittem Welcher einem Land Knecht lenger als eine Nacht Beherberget es sye dann ein Armer, kranker, Wittib, oder arm Kinder, davon man weniger schaden zu erwarden, der solle zwanzig Creutzer straf geben, jedoch aber er im lenger als ein Nacht beherberget, solle er solches jederzeit davon Bürgermeister anzeigen, wollen sie es ihme vergunen den laenger zu beherbergen solls ihnen frey stehen.
"

Es ist verboten, vor dem Abschluss der Traubenernte in den Weinbergen zu "stupfeln" => nachzulesen. Wer auf dem Grund eines anderen grast und dadurch Schaden anrichtet, soll 15 Kreutzer Strafe zahlen. Geschieht das an einem Sonntag, sind zusätzlich 15 Kreutzer Strafe an die Gemeinde fällig.

Wer jemanden ohne Wissen des Amts oder des Schultheißen länger als eine Nacht beherbergt, der soll 20 Kreutzer Strafe zahlen. Ausgenommen arme, kranke, Witwen oder arme Kinder.

(1) stupfeln => nach der Ernte nachlese halten

 


Überschuldung, Wache bei Tag und Nacht



" Ittem welcher um Schulden willen sein Hauß und Hoff verkauft, und mithin sich ins Verderben durch Freßen, Sauffen und andere LAßter Thaten gehabt muthwilligerweiß gestürtzet hat,dem solle niemand ohne Vorwißen deß Amts od[er] Schultheißen im Dorff einigen Aufenthalt verstatten ... (unleserlich) bey Straff eines Guldens.
Ist er aber ohne sein Verschuldten und ohn gefähr in solche Armuth gerathen, deme solle man seiner Gelegenheit und Wohlverhaltens halber Unerschleiff verstatten, doch solle es ohne Vorwißen deß Amts und Schultheißen nicht geschehen.

Sonsten aber solle ohne amtliche Erlaubnus niemand in der Gemeind auf und angenommen werden, bey Straff eines Guldens.

Ittem es soll auch ein jeder wenn die tag und nacht Wacht an ihn kommt, fleißig hütten, in dem Felde u, der gaßen sich jeder Zeit finden laßen, wo aber einer erfunden wird von dem Bürger Meister und Schultheiß oder sonst von einem gemeinen der etwa beym Tag auff daß feldt, oder sonst seiner Hantthirung nachgehet deß tages der solle fünfzehm Creutzer straff geben, hüttet aber einer deß nachts nicht fleißig der solle einen Gulden zur Straff erlegen.
Ittem solle auch keiner im flachs bey der Nacht schaffen es sey gleich mit brechen, schwingen oder Hecheln bey straff eines halben gulden.
"

Wer aufgrund eines "liederlichen" Lebenswandel selbstverschuldet vergant wurde [in Konkurs geriet], durfte nicht ohne Vorwissen des Amts oder des Schultheißen Aufenthalt im Dorf bekommen. Strafe 1 Gulden.
Ist aber jemand ohne eigenes Verschulden in Konkurs geraten, durfte er aufgenommen werden, aber nur mit Vorwissen von Amt oder Schultheiß.
Grundsätzlich soll niemand in der Gemeinde ohne amtliche Erlaubnis aufgenommen werden, bei Strafe eines Gulden.

Wer Wache halten soll, soll dies fleißig tun. Wer diesen Dienst des Tags nicht ordentlich ausübt, soll um 15 Kreutzer und des Nachts um 1 Gulden gestraft werden.
Nachts soll auch nicht am Flachs gearbeitet werden, bei einer Strafe von einem halben Gulden. Was war der Grund für diese Vorschrift? Vermutlich ging es um die erhöhte Brandgefahr, wenn bei Nacht mit Feuer zur Beleuchtung gearbeitet wurde.

 


Tauben bei Aussaat, Hecken Gemeindeweide, Zwölfer



"Ittem welcher Tauben hält, der solle sie zur Saat Zeit alle wegen 4.Wochen ein einsperren, in der Hebert, in der Leinsaat und fruchtsaat Bey straf eines halben Gulden. [1]
Ittem welcher dem andern den Heckhen oder am Zeunen schaden thut, der solle zur straf geben ein Halbort.
uff der gemeindt Weydich solle keiner mit Pferden und andern Viehe, Schweine und gannß macht haben zu treiben, auch keiner keiner weyden darinnen abschneiden bey straff. Fünff zehn Creutzer.
Ittem es solle keiner kein Leimen oder Erden in den gemeinen wegen wo er es nicht befugt ist aufschlagen oder hinwegführen oder tragen bey straffe 3 fl.

Die Zwölfer wann sie K… nach dem gebott sollen zusammen kommen einer oder der ander Inner einer stundt nicht kanbt erscheint es seye dannn schwachheit halber oder aber über ... verreist, daß im daß gebot nicht getroffen hatt, der soll 3 Schilling straf geben.
"

[1] Nachtrag links. Vermutlich 1723. hierrinnen aber solle die maas gebraucht werden, das wenn der Erste in einer gattung früh mit dem Seen den Anfang macht so solle er solches dem Schultheiß ... ... und von solcher Zeit an soll die 4 Wochen ihren anfang nehmen."

Wen die Aussaat beginnt, sollen die Tauben für 4 Wochen eingesperrt werden. Daher soll der Erste, der eine Fruchtsorte zu säen beginnt, dies dem Schultheißen mitteilen, damit von da an die 4 Wochen gelten. Erwähnt werden Leinsamen, Hebert (Häbert, Heebert, Häberet = Habersaat, Frühjahrssaat) und die "normale" Frucht.
Auch das beschädigen von Hecken und Zeunen wurde ausdrücklich unter Strafe gestellt. Auch das weiden von Pferden, Vieh, Schweine und Gänse auf der Gemeindeweid ist untersagt. Zugleich wird auch noch das abschneiden von Weiden verboten.
Wer Leimen oder Erde ohne Erlaubnis auf öffentlichen Wegen lagert oder von dort wegnimmt, zahlt 3 Gulden Strafe.

Die Zwölfer (Richter, Geschworene) müssen innerhalb einer Stunde zusammenkommen, nachdem es ihnen geboten wurde. Sonst müssen sie 3 Schilling Strafe zahlen. Als Entschuldigung galt nur Schwachheit (des Körpers) oder wenn sie über das Feld verreist sind (also auswärts sind).



Feuergerätschaft, Wege und Brücken



Das folgende findet sich als Nachtrag auf der linken Seite. Es wurde vermutlich 1723 nachgetragen.

"Zum Achten sollen die Feuer Leitern, Haken, Zuber, Sprizen und anders Geschirr nicht nur in gutem brauchbarem stande und stetiger bereitschafft erhalten werden, , um sehr auf den fall eines entstehendes Unglücks, wofür Gott gnädiglich seyn wolle, selbige sogleich bey der Hand zu haben, sondern es solle auch jeder Bürger und Mitwohner zu Verrenberg sich mit einem Feüer Eymer in seinem Hauß versehen, zu dem Ende dann alle neu angehende Bürgern vor ihre aufnahm sich einen feüer Eymer anschafft oder in ermangelung dessen einen Guld weiter am Bürgergeldt erleg und bezahl soll.

Neuntens, soll sie ihr zu erhalt schuldige Weeg Steeg und Prüken fleißig und wohl wahrnehmen zeitlich und jedes Jahrs wenigstens 2.mahl besthig ausbessern und in gutem Stand erhalten, damit über schahtbehaftigkeit derselben sich nicht zu beschwehren, ursach gegeben, weniger einig gefahr und unglück, aus ihm der gemeinde nachläßigkeit und verschuld, zu dem verantwortung daher auf sie gebracht werden möge.
"


 


"Diese Ordnung soll also und hinfüro im fleckhen Verrenberg biß zur ... oder Veränderung der Herrschaft ohnnachlesig gehalten werden. Geben und geschehen durch Johann von Olnhaußen jetziger Zeit Vogt zu Pfedelbach den ersten Octob: Anno 1593 Jahr "

Diese (Dorf) Ordnung wurde vom Amt Pfedelbach in Person des Vogt Johann von Olnhausen am 01.10.1593 erlassen.
Es wurde noch darauf verwiesen, dass diese Ordnung "ohnnachlesig gehalten werden" müsse.



Der folgende Teil scheint 1616 nachgetragen worden zu sein.
Weingeld beim Abschluss eines Kaufes



Im folgenden Text geht es um ungerne gesehene Praktiken bei Abschluss eines Kaufvertrages. So "mussten" Kaufverträge im Gasthaus mit Wein begossen werden.

"Wie es in erkauften und verkaufen mit denen Weinkauf und Losungen zu halten:
Demnach man täglich erfährt daß in der Kaufung der gütter solche übermaß mit den Wein Kaufen gebraucht würd dardurch dann vielfältig der jenige dem die Losung zuständig nicht allein damit ganz unbillig beschwert, sondern auch seiner habenden Losungsgerechtigkeit dardurch sich nahr Begeben und verzeyhen muß, solchen nun vorzukommen.
So ist der Hochgebohrene und gnädigste Herrschaft ernstlicher Befehl, will und meinung daß es im Kaufen und verkaufen mit dem Weinkaufen fürtterhin noch folgendermaßen gehalten werden solle.
Allß wann ein Kauf von 5 biß uff 20fl. geschieht, solle derjenige dem die Losungsgerechtigkeit zustendig mit zwey maß Wein, es werde von der Porthey gleichviel oder wenig Weinkauf getrunken, zu lößen befugt seyn.
Dann von 20 bis uff 100 fl. Solle derjenige dem die Losung zuständig mit zwey Viertel Wein Seiner Losung unabBrüchig berechtigt seyn.

  Bei einer Kaufsumme von:
    - 5 bis 20 Gulden darf derjenige, dem die Losungsgerechtigkeit zusteht, bis zu zwei Maas Wein "zu lößen befugt seyn."
    -20 bis 100 Gulden "zwey Viertel Wein."




Erklärung:
Losungs- oder Lösungsgerechtigkeit:
Damit ist das Rückkaufrecht der Verkäufer gemeint.

Weinkauf im Zusammenhang mit kaufen oder verkaufen:
Zu diesen Zeiten war es durchaus üblich, dass der Käufer zusätzlich zum Kaufpreis noch eine kleine Summe an "Weinkauf" zahlte, die zum Vertrinken gedacht war.

1 Maß (Wein):
Das würde heute in etwa 1,7 Liter entsprechen. Ein exakter Umrechnungsfaktor liegt im Moment nicht vor.

 


Zum dritten da ein Kauf von 100 bis uff 500fl. getroffen wirdt So soll derjenige der Zu lößen befugt sein …chs mit einem Reichs thaler erHalten.
Zum Vierten, geschieht ein Kauff von 500 bis uff 1000 fl. So solle derjenige der zu lößen befugt, mit drey gulden lösen Und dann letzlich
Wann von 1000 bis zwey oder dreytausend gulden ein Kauf geschieht so soll derjenige der die Losungs gerechtigkeit darzu hatt; mit 10fl. sein ... und Gerechtigkeit erhalten.

Würdt nun ein oder Der ander theil hier .. uff andere Weege .. der Kaufstractation Forttel haftig handeln, allso daß dardurch der dem die Losung Vorkaufs... gebührt graviret und beschwert werden sollte, so solle derselbe mit allem ernst gestraft werden.
Actum d 10 Jan Anno 1616

Pfedelbach d 27 Juny a 1723 "


    -100 bis 500 Gulden soll "zu lößen befugt sein einen Reichs thaler."
    -500 bis 1000 Gulden soll "zu lößen befugt sein drey Reichs thaler."
    -1000 bis 3000 Gulden soll "zu lößen befugt sein 10 Reichs thaler."

Es wird zum Ende noch Bemerkt, dass bei nicht beachten "ernst gestraft werden" solle.

Es folgen zwei Datierungen. Einmal der 10.Januar 1616 und dann der 27.Juni 1723.



Versuch die drei Jahreszahlen zu erklären:
   1593: Die Dorfordnung wird in ihrer ursprünglichen Form erstellt.
   1616: Es scheint, als wäre an das Ende der Dorfordnung der Passus über den Weinkauf bei
              Kaufgeschäften angehängt worden.
   1723: 130 Jahre nach Erstellung der Dorfodnung scheint es größere Änderungen und Ergänzungen gegeben zu haben.
              Neben vielen Detailänderungen ist die erstmalige Erwähnung der Verrenberger Glocke auf den Seiten 6 und 9 relevant.
              Größere Ergänzungen gab es dann auf:
               - Seite 15: Die Vorgaben rund um Feuerbekämpfung usw.
               - Seite 15: Die Vorgaben Wege, Brücken und Steege in gutem Zustand zu erhalten.

 

Quellennachweis.

Ortsarchiv Verrenberg: B55 Beilagen zum Gemeindegüterbuch Band I: Allgemeine Akten 1843-1858. Darin enthalten die Dorfordnung von 1593
Vielen Dank an Andreas Volk für den entscheidenden Hinweis.
https://de.wikipedia.org/wiki/Dorfordnung