Verrenberg HistorischDie Familie Otto Robert Schluchter
(1885 - 1977) in Untersteinbach - Heilbronn


kirchl. Familienregister
Otto Schluchter

kirchl. Familienregister
Chr. Carl Martin Schluchter

Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg

Mittwoch 26.04.1911 Gerichtssaal Mordprozeß Schluchter. Heilbronn, 24. April Der Prozeß gegen den des Gattenmords angeklagten Lokomotivheizer Otto Robert Schluchter begann gestern unter großem Andrang des Publikums. Selbst im Hof standen noch gegen 100 Personen, die keinen Zutritt mehr erlangen konnten. Vorsitzender ist Landgerichtsdirektor Fischbach, Vertreter der Anklage Oberstaatsanwalt v.. Fetzer und Verteidiger Rechtsanwalt Rosengart. Der Angeklagte Schluchter ist in S t e i n b a c h, OA. Oehringen, geboren und jetzt 25 Jahre alt. Seine 24 Jahre alte Frau Luise, geb. Schmid, war von Verrenberg, OA. Oehringen. Schon während der Verlobungszeit gab es Differenzen, als sich herausstellte, daß Schluchter Alimente für ein uneheliches Kind zu zahlen hat. Die dennoch zu stande gekommene Ehe erfuhr eine bedeutende Trübung, als die Frau von dem vor der Ehe bestandenen und auch nach der Hochzeit ungeniert fortgesetzten Verhältnis ihres Mannes mit der 15jährigen Wirtstochter Frida Kütterer Kenntnis erhielt. Auf die Frage des Vorsitzenden, was Schluchter auf die Anklage zu erwidern habe, antwortet dieser: "Ich weiß von gar nichts." Die Vernehmung des Angeklagten, gegen den nur ein Indizienbeweis möglich ist, gestaltet sich deshalb sehr ausführlich und nimmt den ganzen Vormittag und einen Teil der Nachmittagsverhandlung in Anspruch. Sie ergibt folgendes: Am Abend des 3. Dezember, seit welchem die Frau verschwunden ist, ging der Angeklagte mit ihr um 8 Uhr in die Stadt, nach seiner Angabe zu dem Zweck, die Weihnachtsausstellungen in den Läden anzusehen. Er bezeichnet verschiedene Straßen, durch die sie gegangen seien, und will schon um ¾ 9 Uhr wieder mit der Frau nach Hause gekommen und dann sogleich zu Bett gegangen sein. Um 2 Uhr sei er in den Frühdienst und habe seiner Frau beim Abschied die Hand gegeben; erst bei seiner Rückkehr am nächsten Mittag sei sie nicht mehr da gewesen. Er versucht planmäßig, seine Frau als schwermütig hinzustellen und dadurch glauben zu machen, daß sie sich am Sonntag entfernt und selbst den Tod gesucht habe. Dieser Annahme widerspricht das Ergebnis der Voruntersuchung vollständig. Niemand hat die Frau je Selbstmordgedanken äußern hören; dagegen habe sie von der Hoffnung gesprochen, daß das Verhältnis zu ihrem Mann sich bessern werde, wenn das erwartete Kind geboren sei. Für die Schuld des Angeklagten sprechen noch besonders folgende Gründe. Er hat wenige Tage vor dem Verschwinden der Frau ein Testament abfassen lassen, in dem die Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzten. Er hatte es mit diesem Testament so eilig, daß er sich unter dem Vorgeben einer sehr dringenden Angelegenheit vom Dienst ablösen ließ, sobald der von einem früheren Notar gefertigte Entwurf in seinen Händen war und dann eine Reinschrift des Testaments fertigte. An demselben Tag, da jener frühere Notar das Testament für ordnungsgemäß erklärte, veranlaßte Schluchter die Frau gegen ihren Willen zu einem Abendspaziergang, von dem sie niemand zurückkommen sah. Sehr auffallend ist das Verhalten des Angeklagten nach dem Verschwinden der Frau, das er mit allerlei Redensarten zu erklären suchte und erst nach mehreren Tagen auf das Drängen des Schwiegervaters der Polizeianzeigte. Er bat keinerlei Nachforschungen nach ihr angestellt. Abends zechte er und spielte' Karten, tanzte auch mit der Kellnerin, veranlaßte aber dann durch dringendes Zureden gegen ein Trinkgeld zwei junge Leute, bei ihm in seiner Wohnung zu schlafen, da er sich fürchte und nicht schlafen könne. Sie mußten sich in seiner Wohnung sehr ruhig verhalten, daß es niemand höre, und die Schlafgenossenschaft währte eine ganze Woche. Auch tat er im Lauf des Kartenspiels den Ausspruch, wenn etwas herauskäme, was er getan habe, würde er ein oder anderthalb Jahre Zuchthaus kriegen; "aber so einem patenten Kerl, wie ich bin, sind die andern nicht gescheit genug!" Er will jetzt diesen Ausspruch darauf beziehen, daß er einst (1903) in Oehringen einen Baum durch Abreißen der Krone beschädigt habe! Als Schluchter schon lange in Untersuchungshaft war, wurde bei Oehringen an der Straße nach Bitzfeld ein merkwürdiger Fund gemacht. Ein recht sichtbar hingelegtes Paket enthielt zwei alte Bucheinbände, auf deren Innenseite einige mit "Luise Schluchter" unterschriebene Zeilen standen, worin diese angeblich mitteilte, daß ihr das Leben entleibet sei, weil sie von ihren Eltern kein Geld erhalte, und daß sie "in die Tiefe gebe". Diese Einbände passen' genau zu einer alten Bibel und einem Gesangbuch, die auf der Bühne im Hause von Schluchters Mutter gefunden wurden. Dem Angeklagten wird auch vorgehalten, daß er in einer früheren Strafsache wegen Diebstahls hartnäckig geleugnet habe; er behauptet, damals unschuldig verurteilt worden zu sein. Man hält ihm noch entgegen, daß seine Frau zu einem beabsichtigten Selbstmord sich nicht sonntäglich gekleidet und Glacehandschuhe angezogen hätte, und daß der bei der Sektion gefundene Mageninhalt darauf schließen lasse, daß die Frau kurz nach dem Abendessen ins Wasser kam. Als zum Schluß der Vorsitzende alle Verdachtsgründe zusammenfaßt und in den Angeklagten dringt, ein Geständnis zu machen, bleibt dieser bei der Behauptung, nichts von der Sache zu wissen. Von den Zeugenaussagen sind besonders wichtig die des Ehepaares Schafferdt, das auf dem gleichen Boden mit der Schluchterfchen Familie wohnte und mit dieser den Flur gemeinsam hatte. Beide sahen Schluchter mit seiner Frau ausgehen, heimkehren hörten sie niemand. Der Mann müsse allein gekommen und leise hereingeschlichen sein. Adolf Schafferdt hörte am 1. Dezember wie Schluchter seine Frau zum Unterschreiben des Testaments veranlaßte mit den Worten: "Dummes Mensch, brauchst ja nur deinen Namen hin schreiben." Die Witwe Springer, die gerade in der fraglichen Zeit bei der Familie Schafferdt war, gibt ebenfalls an, sie hätte es hören müssen, wenn zwei Leute zur Glastüre hereingekommen wären. Heilbronn, 25. April. Bei gleichem Andrang des Publikums wird heute früh 8 Uhr in der Zeugenvernehmung fortgefahren. Einige Eisenbahnangestellten bekunden, daß Schluchter am 4.Dez. eine Stunde zu früh in den Dienst kam und durch sein verstörtes, müdes, übernächtiges Wesen auffiel. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit wird die Zeugin Frida Kütterer vernommen. Diese ist im November 1910 erst 16 Jahre alt geworden und hatte etwa seit Ostern 1910 Umgang mit Schluchter, der sie in der elterlichen Wirtschaft kennen lernte. Auch nach seiner Verlobung habe der Angeklagte immer noch der Zeugin die Heirat versprochen: seine Braut heirate er nicht, er möge sie nicht. Als sie nach der Hochzeit meinte, das Verhältnis müsse jetzt aufhören, habe er gesagt: "Ich bin nicht lange mit meiner Frau verheiratet, ich mag sie nicht." Er habe ihr später geschrieben, "bis Weihnachten sei er allein", und ein andermal: "bis Oktober werde seine Frau fortgehen mit dem Schiff nach England "wenn seine Frau fort sei und die Leute nicht mehr darüber reden, dann ziehe er zu ihr", "was er im Kopfe habe, das führe er auch aus". Die Schwere dieser Aussagen wird dem Angeklagten eindringlich vorgehalten. Er meint, die Zeugin könne sich nicht mehr so recht erinnern; diese bleibt aber fest bei ihrer Aussage. Auch bekundet sie, daß zwei Tage vor dem Prozeß der mit Schluchter befreundete Zeuge Bauer zu ihr gekommen sei mit dem Ersuchen, sie solle den "Schluchter nicht hineinreiten, sie solle ihn schonen" Die Gutachten der Sachverständigen. Zuerst bekunden Oberwerkführer Beck und Lokomotivführer Britsch, daß Schluchter erst um 3 1/2 Uhr (statt 2 ¾ Uhr) zum Dienst hätte kommen müssen," die Zeit hätte ihm genügt. Dann berichtet Medizinalrat Dr. Haag über den Sektionsbefund und kommt zu dem Entscheid, daß es nach dem Magenbefund ausgeschlossen sei, daß die Frau erst morgens in das Wasser kam; der Tod sei etwa 2 1/2 Stunden nach der Abendmahlzeit erfolgt. Dieses Gutachten stimmt mit den Annahmen der Anklage überein. Nach einigen Fragen an den Angeklagten wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Auf Antrag des Verteidigers Rechtsanwalt Rosengart fand nachmittags 8 Uhr eine Augenschein-Einnahme am Neckarufer statt. Nachher folgten die Plädoyers. Gegen Abend wurde das Urteil gesprochen: Der Angeklagte Schluchter wurde dem Wahrspruch der Geschworenen gemäß, der auf "schuldig" lautete, zum Tode verurteilt.

Bericht des Staatsministers der Justiz, betreffend einer etwaiger Begnadigung des Otto Schluchter - 1911
In diesem Dokument vom 30.06.1911 wurden für den König der komplette Fall zusammen gefasst.

 

Quellennachweis.

Bitzfelder Kirchenbücher (Mikrofilm KB 1503 Band 25 und 26)

Hauptstaatsarchiv Stuttgart E 14 Bü 628.1 Gnadengesuch wegen Mordes